Infobrief des Fördervereins Burg Wersau – Juli 2015
Sehr geehrte Freunde unserer Burg Wersau,
In unserem monatlichen Infobrief erfahren Sie Aktuelles rund um unsere ehemalige Burg.
Im Juli gibt es über folgende Neuigkeiten zu berichten:
- Interview mit Justin Schmidt (Grabungsleiter auf der Burg Wersau)
- Fund eines Spinnwirtels aus dem 16. Jahrhundert
- Balkenkonstruktion aus dem 16. Jahrhundert freigelegt
1. Interview mit Justin Schmidt (Grabungsleiter auf der Burg Wersau)
Justin Schmidt ist Grabungsleiter bei den derzeitigen Ausgrabungen auf der Burg Wersau. Er war bei den Ausgrabungen dabei seit die Universität Heidelberg diese durchführt und hat dort seinen Magister in Archologie abgeschlossen. Das Interview führte Benny Schaich vom Förderverein Burg-Wersau e.V.
Hallo Justin, Du leitest als Archäologe derzeit die Ausgrabungen auf der Burg Wersau. Wie wird man das, Archäologe, und wie ist Dein persönlicher Werdegang?
Das ist natürlich nie das Gleiche. Jeder hat seinen individuellen Werdegang und somit ist das auch sehr individuell geprägt, gerade in der Archäologie. Es gibt insgesamt sehr wenige die das machen.
Mein persönlicher Weg fing eigentlich damit an, dass ich von der Schule mal ein Praktikum am Landesamt gemacht habe. Ich hatte den Gedanken daran vergessen, bis es dann um meine Studienwahl ging. Mir ging es vor allem darum, dass ich etwas theoretisches und praktisches kombinieren konnte. Ursprünglich dachte ich an eine Ausbildung, aber dann wollte ich doch wieder etwas Theorie-lastigeres. Für mich war das die perfekte Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Beides kann sehr stark vertieft werden und so bin ich dann zur Archäologie gekommen.
Das Studium dauert unterschiedlich lange. Es gibt unglaublich viel Stoff. Und dementsprechend studieren viele die Archäologie machen etwas länger. Das ging mir auch ähnlich. Einfach weil ich in verschiedene Fachbereiche hineinschauen wollte. Ich bin dann letztendlich bei der Ur- und Frühgeschichte gelandet, welche die Urgeschichte Europas thematisiert und, die Antike überspringend, das Mittelalter in Europa thematisiert.
Es gibt für die klassische Antike die klassische Archäologie, dann nach geographischen Bereichen geordnet z.B. die Vorderasiatische Archäologie. Je nachdem was einen interessiert kann man sich da ausrichten. Das muss man dann aber erst herausfinden.
Du hast ja fertig studiert, heißt das bereits eine Promotion oder ein Diplom?
Weder noch, ich hab einen Magister gemacht, das ist die alte Studienordnung, sozusagen das Äquivalent zu einem Diplom. Das wird jetzt natürlich alles auf Bachelor und Masterumgestellt. Ich fange jetzt an mit meiner Promotion.
Weißt Du schon das Thema?
(Lacht) zu dem Thema möchte ich mich lieber noch nicht äußern. Es besteht die Möglichkeit, dass dies in Zusammenhang mit der Burg Wersau stehen wird, aber sicher nicht primär.
Wie sieht so eine Karriere weiter aus? Du würdest dann promovieren und dann an der Uni weiter arbeiten oder wie geht das weiter?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Das Arbeitsfeld der Archäologen ist ohnehin relativ eingeschränkt. Die wichtigsten Institutionen sind auf jeden Fall die Universität, also in die Lehre zu gehen.
Dann das Landesamt für Denkmalpflege, das natürlich viel praktischer orientiert ist. Wo man auch Ausbildungen machen kann, zumindest je nach Bundesland. Dort gibt es zum Beispiel Ausbildungen als Grabungstechniker. Das kann man machen ohne ein Studium absolviert zu haben.
Dann gibt es das Deutsche Archäologische Institut, das international operiert und vor allem internationale Grabungen leitet und koordiniert. Das ist aber schon sehr speziell, die haben daneben auch Projekte innerhalb des Landes die dann eher theoretisch ausgerichtet sind. Und dann gibt es auch noch die museale Arbeit, die vor allem auf Deutschland beschränkt ist.
Außerdem gibt es auch noch sehr viel Spezielles. In der Archäologie bekommt man eine sehr breite Ausbildung in Geschichte, dann spezialisiert man sich auf einen Fachbereich, meistens eine geographische Region oder einen bestimmten Zeitabschnitt.
Die meisten die das Studium abschließen bleiben gar nicht mal unbedingt in der Archäologie selber. Viele Arbeiten noch in Teilbereichen damit, gehen beispielsweise in die Medien oder Naturwissenschaften, die das mitbearbeiten. Da gibt es unglaublich vielseitige Möglichkeiten und das ist immer sehr individuell.
Lesen Sie das gesamte Interview hier
2. Fund eines Spinnwirtels aus dem 16. Jahrhundert
Ein sogenannter Spinnwirtel (auch Handspindel genannt) wurde Anfang Juli im Eingangsbereich des Burgareals gefunden, dies ist der erste Fund dieser Art auf der Wersau. Es wurde grob auf das 16. Jahrhundert datiert, da es in einer entsprechenden Schicht auftauchte.
Der Spinnwirtel stellt die ursprünglichste Form des Werkzeuges zum Verspinnen von Fasern dar. Eine Handspindel besteht aus einem stabförmigen Schaft mit einem Wirtel als Schwungmasse, mit deren Hilfe Wolle zu Garn gesponnen wurde. Der Schaft wurde eher aus vergänglichem Material wie z. B. Holz gefertigt, während der Wirtel aus beständigem Material wie z. B. Keramik, Knochen oder Stein, später auch aus Glas bestand.
Älteste Belege von Spinnwirteln stammen in Europa aus dem 6. Jahrtausend v. Chr.
3. Balkenkonstruktion aus dem 16. Jahrhundert freigelegt
Dieser Tage wurde im vorderen Bereich der Burg (im Bereich des Mühlgrabens) eine hervorragend erhaltene Balkenkonstruktion aus Eichenholz freigelegt. Die Balken dienten als Unterbau für eine der ehemaligen Mauern.
Da die ständige Feuchte des dort vorhandenen Lehmbodens die Balken ideal konservierte, war zumindest beim Freilegen an dem Holz keinerlei Verwesung festzustellen. Um eine Altersbestimmung mittels dendrochronoligischer Untersuchung durchführen zu können, musste jeweils ein Teil aus zwei Balken herausgesägt werden. Die Untersuchung ließ die Balken auf das späte 16. Jahrhundert datieren.
Die Dendrochronologie ist eine Datierungsmethode der Geowissenschaft, der Archäologie, der Kunstwissenschaft und der Dendroökologie, bei der die Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden.
Jahresringe aus Jahren mit guten Wachstumsbedingungen sind breiter als solche aus Jahren mit schlechten Wachstumsbedingungen. Da für alle Bäume einer Art in einem bestimmten Gebiet die Lebensbedingungen annähernd gleich sind, weisen alle Bäume einer Art dieser Region etwa die gleiche charakteristische Abfolge von schmalen und breiten Jahresringen auf.
Durch die Überlagerung der Ringmuster vieler Bäume (Crossdating-Methode) entsteht eine gemittelte Baumringabfolge (Jahrringchronologie), die aufgrund der überlappenden Lebenszeiten der Bäume viele Jahrtausende abdecken kann.
Mit Hilfe der Jahrringanalyse bei verbauten Hölzern können Bauzeiten von Gebäuden sehr genau ermittelt werden. Sie leistet dabei einen sehr wichtigen Beitrag für die Bauforschung und Kulturgeschichte von Gebäuden (Denkmalpflege). Die Genauigkeit der Datierung ist jedoch von mehreren Faktoren abhängig; präzise ist sie nur, wenn 1. das verbaute Holz noch die sogenannte Waldkante zeigt, wenn 2. das Holz erstverwendet wurde und sich 3. noch am Ort der Erstverwendung befindet. In der Regel ist das Fälljahr des Baumes identisch mit dem Jahr des Einbaus.
Es bleibt also spannend…
Für Ihr Interesse bedanke ich mich und verbleibe
Mit den besten Grüßen
Ihr
Andreas Dörfer